Vom Eduardstift zum Jugendhilfezentrum
1894 hatte das Bistum Trier die Gebäude auf dem Helenenberg, deren Geschichte schon wesentlich weiter zurückreicht, vom Stifterehepaar Puricelli geschenkt bekommen, wenig später wurde das Haus nach dem Stifter Eduard Puricelli in Eduardstift umbenannt und durch die gleichnamige Stiftung verwaltet.
Bis in den Gebäuden im Jahr 1898 das Diozösanwaisenhaus eröffnet werden konnte, kümmerten sich unter der Aufsicht des Bistums 3 Franziskaner um 25 Jungen, bauten mit ihnen gemeinsam die Ställe und die landwirtschaftlichen Gebäude um und richteten Schlafsäle und Schulräume ein.
Schon damals hatten die Brüder die Möglichkeit, die Jugendlichen in verschiedenen Bereichen zu unterweisen und sie z.B. in der Schneiderei, Schuhmacherei, Schmiede, Schlosserei, Schreinerei, Bäckerei, Metzgerei, Gärtnerei und in der Küche zu beschäftigen.
Im Laufe der 27 Jahre, in denen die Franziskaner auf dem Helenenberg tätig waren, betreuten sie insgesamt etwa 3.200 Jungen.
1925 übernahmen die Salesianer Don Boscos das Eduardstift, sie leben und arbeiten also schon seit über 90 Jahren auf dem Helenenberg. Der Einzug der Salesianer brachte viele Veränderungen mit sich, denn sie legten nicht nur Wert auf Arbeit und eine gute berufliche und schulische Bildung, sondern auch auf eine sinnvolle und phantasiereiche Gestaltung der Freizeit. Sie initiierten Aktivitäten im musischen, künstlerischen und sportlichen Bereich, was für die meisten der Jungen eine ganz neue Erfahrung war.
Anfangs lebten im Eduardstift etwa 150 Jungen. Diese Zahl verdoppelte sich aber sehr schnell, gleichzeitig wurde das Angebot der beruflichen Möglichkeiten ständig erweitert.
In der Zeit des Nationalsozialismus waren die Jungen 1939 gezwungen, mit ihren Betreuern in den Bernhardhof nach Mayen umzuziehen. Im Februar 1945 besetzten die amerikanischen Streitkräfte den Helenenberg und richteten in der Kirche ein Lazarett ein. Das Gebäude sollte nach dem Krieg ursprünglich abgerissen werden, was jedoch durch den Einsatz der Salesianer verhindert werden konnte. Schon bald nach dem Ende des Krieges kamen die Salesianer zurück zum Helenenberg und nahmen ihre Arbeit mit den Jugendlichen wieder auf. Viele Auf- und Umbaumaßnahmen prägten die kommenden Jahre. 1952 wurden die Werkstätten erweitert und die Schlafsäle umgebaut.
Die Zeit der großen Schlaf- und Essenssäle hatte 1969 ein Ende. Die Jungen und ErzieherInnen konnten in die, für die damalige Zeit übersichtlichen und modernen Gruppenhäuser auf der westlichen Seite der B 51 einziehen.
Im Zusammenhang mit der Erstellung eines grundlegend neuen Ausbildungskonzeptes, wurden 1972 neue Werkstatthallen für die Bereiche Elektro, Metall und Malerei in Betrieb genommen. Die Eröffnung der neuerrichteten Sporthalle im Jahr 1978 führte zu einer wesentlichen Erweiterung des Sport- und Freizeitangebotes, welches von den Jugendlichen in Anspruch genommen werden kann.
Zwei einschneidende Ereignisse in der jüngeren Geschichte des Helenenberges stellten die beiden Großbrände in den Jahren 1980 und 1983 dar. Beim ersten Brand wurde ein wesentlicher Teil des Hauptgebäudes schwer beschädigt, dem zweiten Brand fiel die Lackiererei der Schreinerei zum Opfer. Aber auch diese Katastrophen wurden als eine Chance zum Neuaufbau und zur Erneuerung genutzt. Im November 1984 konnten die neuen Räume der Berufsschule eingeweiht werden, Unterstützt durch die Landesregierung von Rheinland-Pfalz konnten 1987 mehrere computergestützte Maschinen angeschafft werden, die wesentlich zur Verbesserung der beruflichen Bildung beitrugen.
Ebenfalls 1987 wurde die Renovierung der Kirche abgeschlossen, welche ihre Attraktivität bis in die heutige Zeit nicht verloren hat.
Mit der Eröffnung der Förder- und Trainingswerkstatt in den ehemaligen Stallgebäuden wurde 1992 ein weiterer Schritt in die zukünftige Ausrichtung des Eduardstiftes getan. Hier soll den Jugendlichen mit besonderen Förderprogrammen ein besserer Einstieg in die Berufsausbildung ermöglicht werden.
1993 wurde die erste Außenwohngruppe im Nachbarort Welschbillig realisiert. Die Dezentralisierung im Rahmen des Raum- und Betreuungskonzeptes wurde fortgeführt, so daß 1997 eine weitere Außenwohngruppe in Trier eröffnet und für 1998 der Aufbau einer Jugendwohngemeinschaft in Bitburg begonnen werden konnte.
Seit 1995 gibt es 12 Einzelwohnungen in Trier und Bitburg, welche an Auszubildende am Ende ihrer Lehre als möblierte Zimmer (MöZi) vergeben werden, um ihnen im Rahmen ihrer Verselbständigung den Start in das eigenständige Leben zu erleichtern. Zudem haben die Jugendlichen sowohl in Trier, als auch in den benachbarten Ortschaften Irrel, Igel, Bitburg die Möglichkeit zur Betreuung im Rahmen des betreuten Wohnens. Im Juni 1996 wurde das „Don Bosco Haus“ bezogen. Es handelt sich hierbei um ein Appartementhaus am Rande des Geländes, in dem bis zu 21 Jugendliche auf ihrem Weg in die Selbständigkeit begleitet werden.
Ebenfalls seit 1996 besteht ein besonderes Betreuungsangebot für minderjährige unbegleitete Flüchtlinge (MuF) im Rahmen einer eigenen Wohngruppe.
Im Herbst 1996 wurde das Konzept einer ausgelagerten, heilpädagogischen Gruppe mit intensiver Betreuung in die Realität umgesetzt. Sie befindet sich auf dem Heintzhof bei Igel/Liersberg, einem renovierten Aussiedlerhof mit Obstplantage.
Am 1. August 1999 nahm die Sonderschule für Verhaltensbehinderte (Sonderschule der Erziehungshilfe) ihren Betreib auf und erhielt in Erinnerung an die erste Schule unter der Regie Don Boscos in Turin den Namen „Valdocco-Schule“. Mit dem neuen Konzept einer Schule, die den Unterricht als pädagogisches Feld nutzen will um jungen Menschen eine Hilfe für ihre Bildung und spätere Berufswahl zu geben, sind innovative Schritte verbunden. Nicht mehr das Klassenzimmer ist der eigentliche Unterrichtsort, sondern das Umfeld des jeweiligen Schülers. Um den Jugendlichen eine Begegnung mit der konkreten Arbeitswelt zu ermöglichen enthält der Stundenplan an drei Tagen „Praxisphasen“ in denen Schüler und Lehrer unter Anleitung von Handwerksmeistern und anderen Fachleuten ihre manuellen und kreativen Fähigkeiten unter Beweis stellen können.
Im seit 1997 mit derzeit 3 MitarbeiterInnen laufenden Projekt „Families First“ (konzeptionell basierend auf der Methode des Familienaktivierungsmanagements) wird intensiv mit dem gesamten Familiensystem gearbeitet, um z.B. eine Fremdunterbringung von Kindern oder Jugendlichen zu vermeiden.
Die Idee der konkreteren Familienarbeit wird durch weitere Fortbildungen von Mitarbeiter/innen im „Familienstabilisierungsprogramm“ weitergetragen, die im Herbst 1999 und im Januar 2000 mit ihren Ausbildungen in einem grenzüberschreitenden Projekt mit Luxemburg, Belgien und Frankreich begannen. Die Ausbildung im Video-Home-Training absolvierten zwei MitarbeiterInnen.
Im Jugendhilfeverbund mit den evangelischen Heimen Schmiedel und Niederwörresbach sowie dem St.Hildegardishaus in Bingen verfügt das JHZ Helenenberg über Erziehungsstellen in Pflegefamilien. Zu diesem Verbundsystem gehört die gGmbh ökumenischer Erziehungshilfeverbund mit Sitz in Bitburg, die für den Raum der Eifel Jugendhilfestationen in Daun, Bitburg und Prüm unterhält und zudem ein sehr vielseitiges ambulantes Angebot für Familien, Alleinerziehende und Lehrer vorhält. Ebenso sind die Mitarbeiter/innen der Jugendhilfestationen in der Lage schnell in Krisenfällen innerhalb von Familien oder in Schulklassen Hilfe anzubieten.
Die Einrichtung einer intensiven therapeutischen Gruppe für Jugendliche mit besonderen Problemlagen wurde im Laufe des Jahres 1998 auf dem Gelände des JHZ notwendig. Zunächst entstand die pädagogisch-therapeutische Wohngruppe für jugendliche Sexualstraftäter als „Pinardi-Gruppe“. In der Praxis zeigte sich der Bedarf nach einem differenzierten Konzept, das dann im Jahre 1999 durch eine Gruppe für jugendliche Sexualstraftäter mit schwachem kognitivem Leistungsvermögen in der Gruppe Turin seinen Niederschlag fand. Jugendliche mit erheblichen Fortschritten in der Therapie werden auf ein selbstständiges Leben in der Chieri-Gruppe vorbereitet. Zusätzlich zu den vollstationären Angeboten wurde eine Ambulanz für Sexualstraftäter und deren Angehörige eingerichtet, die derzeitig vorrangig Beratungsarbeit für Einrichtungen der Jugendhilfe und für betroffene Eltern leistet.
Das Jugendhilfezentrum Don Bosco Helenenberg will sich den heutigen, aktuellen Anforderungen in der Kirche und Gesellschaft stellen, die sich auf die Chancen der Jugendlichen auswirken und neue Angebote konzipieren, ohne sich von den grundlegenden pädagogischen Gedanken Don Boscos zu entfernen.
Jean-Paul Muller